Während der Zeit der Sklaverei wurden viele Menschen aus Westafrika in die Neue Welt deportiert. Darunter waren viele Yoruba aus der Gegend des heutigen Nigeria und Benin, wo sich damals viele ihrer Königreiche befanden. Neben ihrer Sprache brachten die Sklaven auch ihre Kultur und Religion mit in die Neue Welt. Auf verschiedene Arten hielten sie in ihrer neuen Heimat über die Jahrhunderte der Unterdrückung hinweg diese Traditionen am Leben.
Bei den Yoruba gibt es viele Gottheiten, genannt Orisha. Neben diesem Pantheon von Göttern existiert ein oberster Gott, der Olodumare, Olorun (yor. Herr des Himmels) oder auch Olofin (yor. Gesetzgeber) genannt wird. Dieser Gott hat auf dieser Welt seine Abgeordneten, die Irunmole, überirdische Wesenheiten, zu denen auch die Orisha gehören. In Kuba werden sie auch als Santos, als Heilige, bezeichnet.
Sie verkörpern jeweils einen Teil der allumfassenden Energie des Kosmos, genannt Ashé, das sich in Elementen, Mineralien, Gegenständen, Pflanzen, Tieren und Menschen abbildet. Viele Orisha haben einmal als Menschen auf der Erde gelebt und sind nach ihrem Tod zu Göttern geworden, die meist schon zu Lebzeiten übernatürliche Kräfte hatten.
Jeder Mensch steht unter dem Schutz eines bestimmten Orisha, der für ihn verantwortlich ist und seinen Charakter färbt. Bei der Initiation in den Kult wird von den erfahrenen Priestern diese Kraft auf die Erde geholt und dem Novizen weitergegeben, man nennt dies auch die Krönung durch den Orisha. Von da an lernt der Initiierte mit diesen Kräften zu arbeiten, seinen Orisha und seine Heiligtümer entsprechend zu versorgen und wird lebenslang seine Geheimnisse studieren.
Zahlreiche Legenden und Geschichten dieser Gottheiten, in Europa am ehesten mit der griechischen Mythologie vergleichbar, beschreiben uns die Zusammenhänge zwischen den einzelnen Energien und die Ordnung der Welt. Diese Literatur wurde über die Jahrhunderte hinweg nur mündlich überliefert und bildet als Wissenssammlung den Grundstock der Yoruba-Religion.
Hier am Foto ein Ojubo, ein Schrein, des Orisha Osain, Gott der Pflanzenwelt, in seiner neuen Heimat in Deutschland. Der Platz für seine Energie ist in der Wildnis und nicht im Haus.
DAS YORUBA-ORAKEL IFA
Die direkte Kommunikation mit den Gottheiten ist der Schlüssel zur Arbeit mit den Orisha, den göttlichen Energien. Dazu stehen den Eingeweihten unterschiedliche Methoden des Orakelwerfens zur Verfügung, um direkte Auskünfte aus der anderen Welt zu bekommen. Die höchste Form ist das sogenannte Ifa-Orakel, das der Orisha Orunmila beherrscht. Er war Zeuge bei der Schöpfung des Universums und weiss um unsere Zukunft Bescheid. Speziell ausgebildete Orakelpriester, sogenannte Babalawo (yor. Vater des Geheimnisses), durchlaufen eine jahrelange Ausbildung und können so die Zeichen interpretieren.
In einer Sitzung mit dem Klienten wird eine Reihe von binären Zeichen ermittelt, die sogenannten Odu. Durch die Kombination von jeweils zweien der sechzehn Basiszeichen entstehen so 256 Möglichkeiten. Jedes dieser Zeichen hat nun seine eigene Bedeutung, seine eigenen Geschichten und Interpretationen. Seit einigen Jahren ist dieses literarische Wissen, das über Jahrhunderte hinweg nur mündlich weitergegeben wurde, unter dem Schutz der UNESCO als immaterielles Weltkulturerbe. So wird in der Sitzung in einem längeren Orakel-Prozess die Antwort auf die ursprünglche Frage oder das Problem, mit dem der Klient gekommen ist, ermittelt und die Lösung herbeigeführt.
Grundsätzlich geht es darum, mithilfe des Ifa-Orakels wieder auf den Weg seines Schicksals zu kommen und die Harmonie in seinem Leben wiederherzustellen. Dazu werden Konflikte mit verschiedenen problemauslösenden Energien ausgeglichen und im Anschluss meistens Opfergaben wie etwa Essen an die Naturkräfte der Orisha gebracht. Auch Kräuterbäder oder andere spirituelle Arbeiten können vom Orakel empfohlen werden. Der Babalawo kennt die Frage des Klienten nicht. Er ist Mittelsmann und überbringt mithilfe seines rituellen Wissens und seinen Fähigkeiten und Werkzeugen die Antworten in unser weltliches Dasein.
Im Ile Adebisi Egbe Oriifa sind mehrere Ifa-Orakelpriester tätig und stehen für Auskünfte zur Verfügung. Sie sind profunde Kenner der Pflanzenmedizin und sehr wichtiger Part in allen Orisha-Angelegenheiten.
Hier ein Symbolfoto für das Orakel Ifa. Binäre Zeichen werden in der Sitzung ermittelt und in Holzstaub, der durch Termitenfrass entsteht, auf dem Orakelbrett eingetragen und gedeutet. (Anm.: Hier am Foto sind als Symbole nur nicht geweihte Gegenstände zu sehen.)